Pinneberger Tageblatt
H.R.

Viel Beifall für holländischen Kabarettisten und Musiker mit seiner Truppe im Hamburger Schauspielhaus

Herman van Veen zieht alle Register der Kleinkunst

23 okt 1975

"Da marschieren klitschnasse Clowns, doch die Leute, die den Umzug sehn, durchnäßt, tragen viel bessere Masken - raffiniert und wetterfest." Der holländische Kabarettist, Musiker und Filmemacher Herman van Veen, der so singt, faszinierte wieder im Hamburger Schauspielhaus sein Publikum durch seine eigenwillige Komik.


In dem einen Jahr seit seinem ersten eigenen Showauftritt in der Hansestadt hat er schon fleißig in der deutschen Ausdrucksweise dazugelernt. Seine Lieder sind ein wenig aggressiver geworden, besonders dort, wo schwarzer Humor mit skurrilen Einfällen oft sonderbare Verbindungen eingeht. Ansonsten erleben seine zahlreichen Bewunderer wieder den Virtuosen der Kleinkunst, welcher die ganze Bandbreite dieses Metiers vom Slapstik bis zum Song beherrscht und deren Mittel im Wechsel geschickt einzusetzen weiß.

Die Verkleidung tritt etwas zurück, dafür hantiert er schon besser mit dem gesprochenen Wort. Wohl prasselt manchmal ein Brüllton aufs Publikum unvorhergesehen nieder, verstärkt durch die Tonanlage, die ansonsten mit dem Trommelfell schonend umgeht. Beleuchtung wird effektvoll, nicht übertrieben eingesetzt, und die Band, aus der Pianist Erik van der Wurff und Flötist Martijn Alsters auch in Soli herausragen, gibt dem Entertainer einen Background, wie er ihn besser sich kaum wünschen könnte.

Veen setzt in seinen Liedern bei der individuellen Beobachtung an.
Ein scheinbar nebensächliches Ereignis, eine am Rande des großen Geschehens notierte Begebenheit greift er auf und entwickelt daraus die Aussage, die ins Schwarze trifft, weil sie nicht thesenartig verkündet, sondern nachdenklich werden läßt über menschliches Leid, Zerstörung der Umwelt oder bedrohte Zukunft auf unserem Planeten. "Früher war hier einmal alles im Rückstand, jetzt geht selbst die Turmuhr fünf Minuten vor ... und aus Abscheu vor Kurven machen wir jeden Fluß zum Kanal", heißt es im "Wiedersehn".
Andererseits erzählt er in "Oma" von der Einsamkeit einer alten Frau, die "blütenweiße Laken stapelt" und ein Medaillon verwahrt. Natürlich werden Veens alte Hits - und wohl immer noch die besten - "Stilles Glück, trautes Heim" und "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" als Zugabe begeistert aufgenommen.

Am 1. November soll Veens Programm "wunder was" In Hamburg wiederholt werden.



H.R.